Diese Tipps wurden freundlicher Weise von Wolfram Kober zur Verfügung gestellt!

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Bilder-Zeit

Es gibt Filme, die vergisst man nie. An andere kann man sich trotz aller Mühe kaum erinnern. Das hat seinen Grund. Regisseur, Kameramann und Autor haben es verstanden, das Publikum in den Film „einzubinden“, indem sie „unvergessliche“ Bilder erzeugten.

Wie geht das?
Sie haben beim Zuschauer mit geschickten Aufnahmen, Tönen, Schnitten usw. Assoziationen erzeugt, an die sich die Zuschauer lange erinnern. Kaum etwas davon ist zufällig entstanden.

Die Macher der Filme wissen über die Funktionalität des Gehirns. Wir haben - ob wir wollen oder nicht - ein Kurz-, Mittel- und Langzeitgedächtnis. Die Bezeichnungen besagen es schon. Wer es schafft, sich ins Langzeitgedächtnis zu mogeln, bleibt in Erinnerung. Dorthin aber kommt eine Information in der Regel nur, wenn sie wenigstens die erste Hürde schafft und cirka 20 Sekunden relevant ist ohne durch die nächste Information überlagert und damit gelöscht zu werden. Das ist einfach so.

Manche Talkshows nutzen diese Tatsache aus: Wie viele Informationen kann sich der Gast in kurzer Zeit merken? Ohne Hilfsmittel steht er meist als Trottel da.

Die Information muss also, um relevant zu bleiben, einige Hürden im Gehirn überwinden. Im Alltag, also beim Lernen, genügt auch das nicht, sondern man muss es in Abständen wiederholen, um ins Langzeitgedächtnis zu gelangen. Meine Tochter sagte oft, sie müsse jetzt lernen. Ich aber entgegnete: Nein, sie müsse nur wiederholen.

Denken Sie an eine Rede. Wie viele Informationen können Sie danach noch exakt rekapitulieren? Da sagt einer etwas, sagt sofort das Nächste und das Übernächste … Es rauscht an Ihnen vorbei. In zwanzig Sekunden kann man sehr viele Informationen loswerden. Und nichts davon bleibt haften.

 Inmitten der an den Sinnen vorbeieilenden  Informationsflut aber gibt es Möglichkeiten, sie dem Zuschauer, Zuhörer oder Leser so nahe zu bringen, dass er sie nicht vergisst. Sie müssen seine Phantasie aktivieren! Sie müssen ihn dazu bringen, dass sich in ihm eigene Vorstellungen mit dem Gesehenen, Gesagten, Gelesenen verknüpfen. Bei diesem Vorgang werden im Gehirn so viele Nervenzellen aktiv, dass es möglich wird, den Vorgang ins Langzeitgedächtnis zu schieben. Man erinnert sich noch Jahre später an das eine oder andere.

Darin besteht das Geheimnis guter (erst einmal unabhängig von ihrer ethisch-moralischen Aussage) Filme und Bücher.

Man könnte es auch anders ausdrücken:
Füttern Sie die Sinne des Lesers. Was Auge und Ohr, Nase, Mund und Haut  wahrnehmen können, das können Sie  mit ihren Worten vermitteln.

Ich erinnere mich an einen Volvo-Spot. Da kehren Raumfahrer nach kurzer Zeit aus dem Weltraum zurück und sehen einen neuen Volvo. Sagte der eine überlegend: „Waren wir denn so lange weg?“ Große Blende, der neue Volvo. Kein Kommentar dazu. Nur die wenigen Bilder, diese Frage und das Bild vom Auto.

Diesen Spot habe ich mir gemerkt, weil ich mir – ohne es wirklich zu wollen – überlegen musste, was das Ganze soll. Und da die Antwort einfach war – die Schweden haben es geschafft, in so kurzer Zeit ein völlig neues, dem Astronauten schon phantastisch vorkommendes Auto zu bauen – habe ich mir das Ganze gemerkt. In meinem Gehirn vollzog sich ein aktiver Vorgang. Wenn ich das als Bild bezeichne, dann weiß trotzdem jeder, was gemeint ist.

Ganz anders wäre es gewesen, hätte der Astronaut gesagt: „Sieh mal, es gibt schon den neuen Volvo. Den kaufe ich mir. Der ist bestimmt auf dem neuesten Stand der Technik und sieht auch gut aus …“ Darauf der andere: „Ja, ein schönes Auto.“ Und der dritte: „Tolles Design …“ – das wäre in der Flut der Spots niemals hängen geblieben in meinem Gedächtnis.

Für den Autor bedeutet das: Er kann das gewünschte Bild mit vielen Worten erklären – dann rauscht es eben vorbei und wird von der nächsten Erklärung überdeckt. Am Ende weiß man dann nicht mehr so recht – was habe ich eigentlich gelesen? Oder er erzeugt durch geschickte Wortwahl die Aktivierung der Phantasie des Lesers.

Wir wollen uns nichts vormachen – dieser theoretische Vorgang verläuft bei jedem Menschen individuell. Was der eine packend findet, das ödet den anderen an.

Aber manchmal an diese einfache Regel zu denken, das schadet keinem Autor. Sie umzusetzen  wird schon schwieriger. Da wären wir wieder bei der Kunst. Bei der guten und der schlechten.

Aber versuchen wir uns an einem Beispiel:

"Von weit drang das durchdringende Heulen des Grenzsturmes, den man Ordruf nannte. Das Heulen entstand, weil es an der Tagscheide eine Riffbarriere mit Felsen und Spalten gab."
Diesen Satz liest man und geht zum nächsten über. Ganz anders der folgende:

"Von weit drang das durchdringende Heulen des Ordrufs, dem Grenzsturm, der sich ewig an der Tagscheide durch die Felsspalten der Riffbarriere zwängte."
Der kleine Kniff des Autors liegt darin, mit dem Wörtchen "zwängte" eine Vorstellung beim Leser zu erreichen ohne viel erklärende Worte zu verwenden. Sich durch etwas hindurchzwängen, das kennt jeder, doch geschieht es so selten, dass es etwas Besonderes bleibt. Diese Vorstellung, das Bild, das ist wichtig.

"Das kleine Feuer flackerte und erhellte die Dunkelheit."
Die meisten Feuer flackern. Und da Feuer Licht aussendet, kann man in der Dunkelheit dort etwas sehen. Man kann sich diesen Vorgang schon bildlich vorstellen. Aber er ist etwas alltägliches. Banal fast. Um dieser Trivialität zu entrinnen, griff der Autor zu einer anderen Formulierung:

"Das niedrige Feuer zertrennte flackernd die Dunkelheit ."
Hier wird der Vorgang des "Flackerns" zum Ereignis. Es ist nicht schwer zu sehen, dass die Dunkelheit nicht gleichmäßig erhellt wird, sondern im Rhythmus der auf- und abtanzenden Flammen. Dieser Vorgang ist lebendiger.

"Hier und da hörte er das Scharren von Ratten. Pelzig drängte etwas an seinen Füßen vorbei und verschwand im Dunkel."
Ich bin darüber beim Lesen gestolpert. Pelzig drängte etwas vorbei … Das "etwas Pelziges", das soll schon ein Bild sein. Aber da im Satz vorher von Ratten die Rede ist, braucht meine Phantasie ja nicht zu arbeiten. Im Gegenteil. Erst sind es Ratten und dann ein "Pelziges Etwas". Sofort signalisierte mein Sinn: Was nun – gibt es zwei verschiedene Tierarten die da scharren?

Wäre es nicht besser so gewesen: "Hier und da hörte er das Scharren von Tierfüßen. Pelzig drängte etwas an seinen Füßen vorbei …" Meine Phantasie wird mir schon mitteilen, dass das nur Ratten gewesen sein können.

 "Dunkelheit hockte drohend hinter den Fensteröffnungen."
Ein schöner Satz. Und trotzdem: Assoziieren "hocken" und "Dunkelheit" nicht schon auf feine Weise Gefahr oder Drohung? Was passiert, wenn man das "drohend" weglässt? Ich denke, der Autor misstraut einfach der Kraft der Worte und unterstreicht sie mit dem "drohend". Vorsichtshalber.

"Ihre trockenen Rispen schabten kratzend aneinander."
Sie können natürlich die sich schabenden Rispen kratzen lassen. Sie können genau das aber auch der Phantasie des Lesers überlassen.
"Ihre trockenen Rispen schabten aneinander."
Ich wette: Die meisten assoziieren die sich schabenden trockenen Rispen mit einem kratzenden Geräusch. Genau diese Assoziationen beim Leser zu erzeugen, das ist die hohe Kunst des Schreibens.

Die falschen Bilder:

"Hier und da hörte er das Scharren von Ratten. Pelzig drängte etwas an seinen Füßen vorbei und verschwand im Dunkel."
Zuerst fand ich die Sätze gelungen, aber dann, tief im Hinterkopf, hat mich etwas gestört.  Ich stehe da in der Dunkelheit – höre Scharren – und weiß sofort dass das Rattenfüße sind?

Pelzig drängte etwas vorbei … Das "etwas Pelziges", das soll schon ein Bild sein. Aber da im Satz vorher von Ratten die Rede ist, braucht meine Phantasie ja nicht zu arbeiten. Im Gegenteil. Erst sind es Ratten und dann ein "Pelziges Etwas". Sofort signalisierte mein Sinn: Was nun – gibt es zwei verschiedene Tierarten die da scharren? Wenn ich es weiter vertiefe: Wäre es nicht besser so gewesen:

"Hier und da hörte er das Scharren von Tierfüßen. Pelzig drängte etwas an seinen Füßen vorbei …" Meine Phantasie wird mir schon mitteilen, dass das nur Ratten gewesen sein können.

"Dunkelheit hockte drohend hinter den Fensteröffnungen."
Ein schöner Satz. Und trotzdem: Assoziieren "hocken" und "Dunkelheit" nicht schon auf feine Weise Gefahr oder Drohung? Was passiert, wenn man das drohend weglässt? Ich denke, der Autor misstraut einfach der Kraft der Worte und unterstreicht sie mit dem "drohend". Vorsichtshalber.

(Habe ich jetzt zuviel gemeckert …? Bestimmt, man kann es auch übertreiben und zum Haarspalter werden.)

"Er verpasste ihm mit dem Stahlbesatz seines Schuhs einen brutalen Tritt in die Seite."
Hat er den Stahlbesatz vom Schuh genommen? Er verpasst ihm einen Tritt mit einem Schuh, der einen Stahlbesatz hat. Hinzu kommt, dass ein Wort in seiner Grundform stärker ist als abgeleitete Wortbildungen. "Wenn er sich bemühte, ..." ist stärker als "Beim Bemühen...", "Tritt" ist schwächer als "er trat", "unter Beweis stellen" schwächer als "beweisen".  Darum könnte der Satz besser lauten: "Mit dem stahlbewehrten Schuh trat er ihm brutal in die Seite."

"Als die Sonne sich hinab zur Erde neigte und auf der anderen Seite der Welt plötzlich fünf kleine Monde aufgingen, war es an der Zeit heimzufahren."
Nehmen wir den ersten Teil des Satzes: Die Sonne beginnt sich nach Erreichen des Zenits, also mittags, zu neigen. (Ich denke, das wird auf allen Planeten der Fall sein.)  In diesem Text aber soll es den Abend ankündigen. Der Autor meint natürlich: „Als die Sonne sich bis hinab zum Horizont geneigt hatte …“

"Mit seinem Handtuch trocknete er sich oberflächlich ab und zog sich an."
Mit dem Handtuch trocknet er sich ab und (mit dem Handtuch) zieht (er) sich an.
Besser: "Mit dem Handtuch trocknete er sich oberflächlich ab. Dann zog er sich an."

 "Er sah sich derweil in den Räumlichkeiten um. Er wanderte mit den Augen über den weißen Schreibtisch und die Büromöbel."
Das Bild meint: Er ließ den Blick schweifen/wandern. Die Augen wandern nicht. Die bleiben im Kopf.

"Er hatte die Augen geschlossen und atmete ruhig. Die Arme ruhten neben seinem Körper und der flache Bauch hob und senkte sich so sanft, dass man denken konnte er schlief."
 In der Regel ist es der Brustkorb, der sich beim Atmen bewegt. Außerdem muss ich dem Leser nicht sagen, dass ruhig atmet. Das kann ich ihn herausfinden lassen.
"Er hatte die Augen geschlossen. Die Armen ruhten neben seinem Körper. Sein Brustkorb hob und senkte sich so sanft, dass man denken konnte er schlief."

"Lange, rosablonde Haare umrahmten in dicken Locken ein hübsches, ausdrucksvolles Gesicht mit feinen Konturen."
Ergeben umrahmende Blondhaare feine Konturen? Eine Kontur ist ein Umriss. Es genügt zu sagen, dass die Haare umrahmen. Eine Umrahmung ist ein Umriss.

"Herein kam eine wunderschöne Frau. Sie war so schön, dass er für einen kurzen Augenblick an einen Traum und dann an einen Trip dachte. "
In Verbindung mit der Regel von den subjektiv behauptenden Adjektiven merkt man hier gut, dass der Autor besser daran getan hätte, das "schön" durch eine detaillierte Beschreibung zu ersetzen.

Quintessenz: Gehen Sie sorgfältig bei der Beschreibung um. Schon ein einziges falsches Wort kann den Wert des Satzes kippen lassen oder ihn lächerlich machen. Das fällt auf den Autor als Ungeschicklichkeit zurück. Es gilt als hohe Schule der Schreibkunst, beim Leser Bilder entstehen zu lassen. Man kann es ihm auch mit vielen erklärenden Worten vorbeten - aber dann entfaltet es keine Wirkung und man wird es Ihnen nicht danken.

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