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Die Sache mit den Gefühlen

Ein häufiger Irrtum besteht in der Vorstellung, man könne Gefühle beschreiben um eine geeignete Wirkung beim Leser zu erzielen. Eine Lösung findet man in der Vermittlung, indem man die Umstände beschreibt, die sie ausgelöst haben, oder indem man sie über ein Bild ausdrückt. Anders formuliert: Wenn ich das Gefühl schon nicht beschreiben kann - dann sollen es meine Worte und Bilder beim Leser erzeugen.

Was sind Gefühle? Man fühlt sich krank, ängstlich, verliebt, stark, gedemütigt und so weiter.

"Er fühlte sich krank."
Jeder weiß, was damit gemeint ist. Aber die Genauigkeit dieses in diesem Moment einzigartigen Gefühls bleibt versteckt. Manchem Autor genügt das. Andere aber beginnen diesen Zustand genauer zu beschreiben.
Bohrende Schmerzen im Kopf, Ziehen in den Gliedern, Hitzewallungen bis hin zu Sehstörungen ...
Jetzt gewinnt der Zustand an Genauigkeit und Plausibilität. Er wird nachempfindbar.

Vielfach findet man in der Literatur den Versuch, Gefühle über Adjektive auszudrücken: Schrecklich, unheimlich, grauenhaft, phantastisch.
"Er fühlte sich schrecklich krank."
Der Autor will über ein subjektiv behauptendes Adjektiv dem Gebilde Stärke verleihen. Die Folge ist noch größere Undeutlichkeit.

"An der Wand ließ Willy sich hinabsinken und lehnte seinen Rücken dagegen. Die Beine streckte er aus und betrachtete nachdenklich seine abgenutzten, ledernen Schuhe. Begriffe wie Flucht, Tod und Angst schwirrten ihm im Kopf herum und er versuchte Ordnung in seine aufgewühlten Gefühle zu bringen."
Es sind angeblich mehrere Gefühle, die dem Leser nahe gebracht werden sollen. Angst ist eines. Beschrieben wird es durch das Wort BEGRIFF. Wenn einem der Begriff Angst durch den Kopf schwirrt, da kann es eigentlich nicht so weit her sein, mit dem Aufgewühlten. Es ist ja nur ein Begriff.
Flucht und Tod sind aber keine Gefühle. Welches sind dann aber die anderen Gefühle, von denen gesprochen wird?
Richtig ungereimt werden die Aussagen, wenn man nun noch das vorhergehende „nachdenkliche Betrachten“ hinzurechnet. Sehr viel mehr kann man hier nicht falsch beschreiben.

Versuchen wir, diesen Abschnitt anders zu fassen:
"Er war ratlos, wie er sich verhalten sollte. Er schob sich durch die Menge bis zur Wand. Mit dem kühlen Metall im Rücken ließ er sich sinken. Als er die Beine ausstreckte, stachen ihm die abgewetzten Lederschuhe an den Füßen ins Auge. Was würde sein, wenn sie endgültig kaputt gingen? Oder wenn er sich schwer verletzte? Langsam breitete sich Angst in ihm aus. Es war wie Kälte, die über die Haut nun in alle Gliedmaßen strömte und ihn lähmte. Willy versuchte Herr darüber zu werden. Zwei Begriffe schwirrten durch seinen Kopf: Flucht und Tod."

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